Risikobewertung niederfrequenter elektromagnetischer Felder

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Die Rolle der Ergebnisse aus In vitro- und Tier-Versuchen bei der Bewertung der Beweislage

 

>>>  Unterschiedliche oder negative Ergebnisse direkter Einwirkung elektromagnetischer Felder auf separierte

         Zellkulturen dürfen nicht als widersprüchlich oder als Beleg für eine nicht vorhandene langfristige Wirkung

         gedeutet werden. 

>>>  Ein fehlendes Tiermodell für den zu beurteilenden Zusammenhang kann keineswegs als  Argument benutzt

        werden, um Schutz- oder Vorsorgemaßnahmen auszuschließen.

 

 

Der Wert von In vitro- und Tierversuchen für die wissenschaftliche Erfassung eines Ursache-Wirkungs-Zusammenhanges steht außer

Zweifel.

Allerdings liefern die Ergebnisse aus „Untersystemen“, wie Zellkulturen oder separierten Tierorganen nur spezielle Fragmente zum

Verständnis des gesamten Mechanismus, nämlich vom einem speziellen und sehr eingeschränkten Fragment der gesamten wirkenden

Signalsituation (siehe Abschnitt „Komplexität-Konsequenzen“).

Der Gesamtzusammenhang kann aus diesen Fragmenten nur durch Berücksichtigung des Zusammenwirkens aller beteiligter

Untersysteme und der jeweiligen Signalsituation ermittelt werden.

 

Keinesfalls dürfen deshalb unterschiedliche oder negative Ergebnisse anhaltender direkter Einwirkung elektromagnetischer Felder auf

separierte Untersysteme als Beleg für eine nicht vorhandene langfristige Wirkung gedeutet werden!  (siehe Abschnitt „Komplexität-

Konsequenzen“)

Was die sonstigen Vorbehalte bei der Bewertung von in Vitro- und Tierversuchen betrifft, ist hier nur Raum für einige kurze

Anmerkungen:

 

Zusätzliche  Anmerkung zu in Vitro-Versuchen:

Beim Aktualisieren des wissenschaftlichen Erkenntnisstandes durch verschiedene Gremien etc., das in Abständen von mehreren

Jahren stattfindet, wird oft auf bestehende Bewertungen früherer Arbeiten aufgebaut. Ein inzwischen fortgeschrittener Kenntnisstand,

der Teile dieser Bewertungen ändern würde, wird dann nicht berücksichtigt.

 

(Nur ein Beispiel dafür sind die fortgeschrittenen Kenntnisse über die Rolle von Adhäsionsmolekölen bei krebsrelevanten Signalwegen

und damit auch über den Einfluss des Substrats bei in Vitro-Versuchen.)

 

Zusätzliche  Anmerkung zu Tierversuchen:

Generell sind  genetische Unterschiede zwischen Tierstämmen eine nicht zu unterschätzende Quelle uneinheitlicher Ergebnisse.

Hingewiesen sei auf die Limitierungen oder ungeklärte Übertragbarkeit von Ergebnissen aus Tierversuchen auf den Menschen

[Kund2006] [Lewi2009] [SSK2011] und auf die Beispiele, wo beim Menschen eindeutig eine kanzerogene Wirkung nachgewiesen ist und es dafür

aber kein entsprechendes Tiermodell gibt [Hill2005] [SSK2011].

Die Unterschiede zwischen Mensch und speziellem Tierstamm kommen umso mehr zum Tragen, je mehr „Untersysteme“  (z.B.

Zelltypen, Organe) an dem verantwortlichen Signalnetz beteiligt sind, und diese Untersysteme unterschiedlich für Mensch und Tier sind

(siehe z.B.[Perl2004]).

Ein fehlendes Tiermodell für den zu beurteilenden Zusammenhang kann keineswegs als  Argument benutzt werden, um Schutz- oder

Vorsorgemaßnahmen auszuschließen.

 

Hierzu ein deutliches Beipiel aus der Praxis: Der kausale Zusammenhang zwischen UV-Strahlung und Hautkrebs ist allgemein

anerkannt. Bisher gibt es dafür kein anerkanntes Tiermodell,  speziell nicht für das maligne Melanom [SSK2011].