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Risikobewertung: Kritik
>>> Die Risikobewertungsmethode der SSK[1] ist der wissenschaftlichen Problematik nicht angemessen. >>> Zusammen mit der der unangemessenen und unberechtigten Forderung eines nachgewiesenen Wirkungsmechanismus als „sine qua non“ Bedingung für Vorsorgemaßnahmen führt sie de facto zu einer Blockierung von wirksamen Vorsorgemaßnahmen. |
Kritik zur Gewichtung der SSK bei der Gesamtbewertung der Beweislage
1. Unterbewerteter Nutzen epidemiologischer Studien
In der Gesamtbewertung der Beweislage[2] seitens der SSK [SSK2011] erscheint vor dem Hintergrund „Notwendigkeit von
Vorsorgemaßnahmen“ der Erkenntnisstand aus epidemiologischen Studien gegenüber dem zu Ursache-Wirkungsmechanismen
deutlich untergewichtet.
Ein Grund dafür ist die Unterschätzung der Bedeutung epidemiologischer Studien durch die Unterschätzung der Bedeutung
statistischer Verfahren in komplexen Vielkomponentensystemen als brauchbare, z.T. als notwendige Informationsquelle auch für
Entscheidungen und Regelungen (siehe Abschnitte: „Epidemiologische Studien: Bedeutung“ und „Epidemiologische Studien:
Gewichtung SSK“).
Ein weiterer Grund ist die falsche Gewichtung in der Evidenz-Bewertungsmatrix [SSK2011] durch eine unangemessene separate
Gewichtung von Wissensbeiträgen zu Wirkungsmechanismen aus separaten Untersystemen (s.u.).
2. Unberechtigte Bewertung von Wissensbeiträgen aus separaten Untersystemen
- falsche Gewichtung in der Evidenz-Bewertungsmatrix
In der Matrix der SSK für die Gesamtbewertung der Evidenz (Beweislage) sind die Erkenntnisse aus epidemiologischen Studien nur
als ein Unterpunkt vertreten, die Erkenntnisse zu Wirkungsmechanismen als fünf Unterpunkte: Physikalisches Wirkmodell, Biolo-
gisches Wirkmodell, Dosis-Wirkungs-Beziehung, in-vitro-Studien, in-vivo-Studien [SSK2011]. Die Wissensbeiträge aus diesen fünf
Unterpunkten werden in der Kombination ihrer Ergebnisse für die wissenschaftliche Erfassung eines Ursache-Wirkungs-Zusammen-
hanges benötigt. Für sich alleinstehend sind Ergebnisse aus in vitro- und in vivo-Studien und aus Studien zu Dosis-Wirkungs-Beziehung
als Belege für oder gegen das Bestehen eines Ursache-Wirkungs-Zusammenhanges nicht ausreichend, sondern sie können nur als
Bausteine zur Erkennung des Wirkungs-Mechanismus insgesamt dienen.
Die Ergebnisse aus „Untersystem“, wie Zellkulturen oder separierten Tierorganen liefern nur spezielle Fragmente zum Verständnis des
gesamten Mechanismus, nämlich vom einem speziellen und eingeschränkten Fragment der gesamten wirkenden Signalsituation (siehe
Abschnitt „Komplexität-Konsequenzen“).
Eine angemessene wissenschaftliche Behandlung der Problematik muss das gesamte beteiligte Signalnetz von der Ursache bis zur
Wirkung berücksichtigen, also z.B. auch unterschiedliche Zelltypen in unterschiedlichen Organen und unterschiedliche externe Signale
(siehe Abschnitt „Komplexität-Konsequenzen“).
Das hat u.a. folgende Konsequenzen für die Bewertung:
(1) Wenn keine Effekte durch direkte Einstrahlung auf separierte Untersysteme (z.B. bestimmte Zellkulturen) gefunden werden,
bedeutet das nicht, dass bei Einstrahlung auf den ganzen Organismus keine Effekte bei den im Organismus integrierten Unter-
systemen auftreten können.
(2) Unterschiedliche bzw. sogar entgegengesetzte Ergebnisse am selben Untersystem sind kein Beleg für die Irrelevanz der Effekte
des elektromagnetischen Feldes oder für fehlerhafte Experimente, sondern können durch Unterschiede in der Gesamtheit der
Signalsituation bedingt sein (was meist schwer zu vermeiden sein dürfte). Bei unterschiedlichen Kombinationen von Input-Signalen sind
bei demselben Wirkungsmechanismus i.a. auch unterschiedliche Ergebnisse zu erwarten.
(3) Eine durch die Komplexität des Systems bedingte Nichterkennbarkeit oder Nichtdefinierbarkeit einer Dosis-Wirkungs-Beziehung
kann nicht als Argument gegen eine kausale Wirkung des elektromagnetischen Feldes auf den betrachteten Endpunkt dienen (siehe
Abschnitt „Dosis-Wirkungs-Beziehung“).
Eine Wertung von entsprechenden Ergebnissen aus den Unterpunkten Dosis-Wirkungs-Beziehung, in-vitro-Studien, in-vivo-Studien als
Beleg gegen eine Ursache-Wirkungsbeziehung ist also falsch.
Damit gibt es nur zwei unabhängige Blöcke von Wissenskomponenten zur Bewertung:
(1) Epidemiologische Studien (Empirische Studien ),
(2) Kenntnis des Wirkungsmechanismus als Kombination der Kenntnisse aus
Wirkmodell-, in vitro-, in vivo- und Dosis-Wirkungs-Beziehung-Studien.
Eine eigene separate Gewichtung der Ergebnisse aus „Untersystemen“ durch „in vitro-, in vivo- und Dosis-Wirkungs-Beziehungs-
Studien“ mit diesen als eigene Komponenten der Bewertungsmatrix für die Evidenz einer Ursache-Wirkungsbeziehung widerspricht der
Problemstruktur und dominiert fälschlicherweise die Gesamtbewertung der Evidenz.
Ohne Kenntnis der Problemkomplexität kann bei Laien dadurch leicht der falsche Eindruck von scheinbar widersprüchlichen
Ergebnissen oder von scheinbaren Hinweisen auf fehlende Wirkungen erweckt werden.
[1] SSK: Strahlenschutzkommission, ein Beratungsgremium der Bundesregierung mit zeitlich begrenzter Zusammensetzung
[2] Die Beweislage ist hier auf eine Beweislage für einen ursächlichen Zusammenhang zwischen einer unerwünschten gesundheitlichen Wirkung und einem niederfrequenten elektromagnetischem Feld bezogen.