Risikobewertung niederfrequenter elektromagnetischer Felder

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25.8.17   Kommentar zum Forschungsprogramm des BfS

im Rahmen des Strahlenschutzes beim Stromnetzausbau

Kommentar-Zusammenfassung

● Das kommentierte Forschungsprogramm des BfS  bezieht sich auf den Strahlenschutz speziell beim Stromnetzausbau.

●Damit Forschungsergebnisse zur Minimierung nicht akzeptabler oder vermeidbarer Gesundheitsrisiken beim Stromnetzausbau überhaupt nutzbar sein können, müssen sie vor der Fertigstellung des Großteils des Stromnetzausbaus verfügbar sein.

●Die  beiden vorrangigen Kriterien zur Bewertung der Projekte liegen hier auf
(I) ihren Nutzen für hinreichende Schutz- bzw.  Vorsorgemaßnahmen,
(II) der Rechtzeitigkeit ihrer Ergebnisse.

●Die Bedeutung der vorgestellten Themenfelder wird wie vom BfS als hoch oder essentiell bewertet.

●Hingegen wird die Nützlichkeit einzelner Projekte z.T. stark abweichend vom BfS bewertet.

●Die Projekte 7.1, 7.2  ( Themenfeld 7  Exposition..) sollten vorrangig und erweitert bearbeitet werden, da sie als Planungshilfe für das Vorgehen bei anderen Projekten und als erste Entscheidungshilfe für Vorsorgemaßnahmen dienen können.

Fast alle anderen Projekte werden anhand einer Bewertungstabelle als nicht rechtzeitig verfügbar eingestuft, d.h. als nicht nützlich im Rahmen des Stromnetzausbaus.

●Hemmfaktoren für die Rechtzeitigkeit ggfls. erforderlicher Maßnahmen werden aufgeführt;  als ein wesentlicher Faktor können sich spezielle Bedingungen spezieller Risikobewertungssysteme für Schutz- bzw.  Vorsorgemaßnahmen erweisen.

●Projekte, bei denen von vornherein zweifelsfrei erkennbar ist, dass ihre Ergebnisse nicht rechtzeitig verfügbar sind, sollten entsprechend gekennzeichnet sein. Sonst kann die Art der Realisierung des Netzausbaus unter der irreführenden Annahme erfolgen, dass auf evtl. anfallende Erkenntnisse möglicher nicht akzeptabler Gesundheitsrisiken rechtzeitig reagiert werden kann.

●Ein grundsätzliches Defizit des Forschungsprogramms besteht darin, dass kaum eines der Projekte den heutigen Kenntnisstand der molekularbiologischen Signalverarbeitung berücksichtigt, der zur angemessenen Erforschung von Wirkungsmechanismen erforderlich ist.

●Selektive Verbesserungshinweise beziehen sich z.T. auf die generelle Vorgehensweise, z.T.  auf wissenschaftliche Inhalte.

 

Inhaltsverzeichnis

1. Vorrangige Kriterien  zur  Bewertung des  Forschungsprogramms des BfS  im Rahmen des Strahlenschutzes beim Stromnetzausbau
(I) Erfüllung der Aufgaben des BfS
(II)  Rechtzeitige Beiträge zu hinreichenden Schutz- bzw.  Vorsorgemaßnahmen


2.  Bewertung von BfS-Projekten
2.1   Bewertungstabelle für die BfS-Projekte
2.2  Bewertung von BfS-Projekten  anhand der Bewertungstabelle

3. Grundsätzliche Defizite des Forschungsprogramms

Anhang
A1  Hemmfaktoren für die Rechtzeitigkeit hinreichender Schutz- bzw.  Vorsorgemaßnahmen
A1.1  Definition für rechtzeitige Beiräge
A1.2  Zeitauwendige Forschungsmaßnahmen je nach Bedingungen von Risikobewertungssystemen für Schutz- bzw.  Vorsorgemaßnahmen
A1.3  Ineffizienter wissenschaftlicher Ansatz des Projekts
A1.4  Sonstige zeitauwendige Vorgehensweisen
A2   Effiziente Ansätze mit Chancen für rechtzeitige Ergebnisse hinreichender Schutz- bzw.  Vorsorgemaßnahmen

 
1. Vorrangige Kriterien  zur  Bewertung des  Forschungsprogramms des BfS  im Rahmen des Strahlenschutzes beim Stromnetzausbau

Der folgende Kommentar bezieht sich das geplante Forschungsprogramm der Bundesanstalt für Strahlenforschung im Rahmen des Strahlenschutzes beim Stromnetzausbau. Dieses ist vorgestellt in [1] (s. Literaturzitate).
(Der Kommentar bezieht sich nur auf ausgewählte Punkte.)

Vorrangige Kriterien  zur  Bewertung der  BfS-Projekte :
Die beiden vorrangigen Kriterien in diesem Kommentar zu dem Forschungsprogramm-Vorschlägen des BfS sind:
(I) Erfüllung der Aufgaben des BfS,
(II)  Rechtzeitige Beiträge zu hinreichenden Schutz- bzw.  Vorsorgemaßnahmen.

 Zu (I):  Das Forschungsprogramm muss geeignet sein, die Aufgaben des BfS ( siehe [1][2]) zu erfüllen.Stichworte hierzu:
- Aufgaben als Strahlenschutzfachbehörde in Deutschland
- Ermittlung und Bewertung gesundheitlicher Risiken
- Empfehlungen zum Schutz (z.B.  Grenzwerte)  u. zur Vorsorge vor gesundheitlichen Auswirkungen
- Ziel: im Sinne der Vorsorge bestmöglicher Strahlenschutz
- Minimierung der Exposition [3]
- Identifizierung neuer wichtiger Erkenntnisse aus der  Forschung
- Konsequente Erforschung wissenschaftlicher Unsicherheiten
- Aufzeigen von Handlungsnotwendigkeiten u. Entscheidungserfordernissen für die Politik und Verwaltung

Besonders wichtig ist eine unmissverständliche  Risikokommunikation an Entscheidungsträger wie oberste Richter und Politiker. 
Hier besteht offensichtlich dringender Bedarf. Z.B. wird in aktuellen Urteilen des BVerwG zur Urteilsbegründung die Aussage „Bestehende Grenzwerte schützen“  verallgemeinert eingesetzt -  ohne den stark eingegrenzten Bereich zu berücksichtigen, für den diese Aussage nur gilt.
(Die allgemeine Erwartungshaltung hingegen dürfte sein, dass bei dieser Aussage auch der Schutz vor Krankheiten wie z.B. Krebs gemeint ist.) 

Zu (II):   Das Forschungsprogramm „Strahlenschutz beim Stromnetzausbau“ muss geeignet sein, rechtzeitige Beiträge zu hinreichenden Schutz- bzw.  Vorsorgemaßnahmen zu liefern.
Der relevante Stromnetzausbau“  ist der aktuelle schon laufende bzw. unmittelbar geplante Stromnetzausbau.
Forschungsergebnisse, die erst nach der Fertigstellung des Großteils des Stromnetzausbaus nutzbar werden können nicht dazu beitragen, dass nicht akzeptable oder vermeidbare Gesundheitsrisiken minimiert werden. Sie sind nicht rechtzeitig.
Ein Forschungsprogramm, das großenteils keine  rechtzeitigen Ergebnisse liefert oder gar nicht liefern kann, dürfte  nicht unter dem Titel  „Strahlenschutz beim Stromnetzausbau“ laufen.
Die verfügbare Zeitspanne  ist somit kleiner als:
(Z1) der Realisierungszeitraum des Stromnetzausbaus minus
(Z2) dem Zeitbedarf für die Ableitung von Vorsorgemaßnahmen bzw. Schutzvorschriften aus den Forschungsprojektergebnissen.
Der Zeitbedarf für die Ableitung von Vorsorgemaßnahmen bzw. Schutzvorschriften ist seinerseits bestimmt durch die Anforderungen der Art des Risikobewertungssystems, das die Bedingungen für Schutz- bzw. Vorsorgemaßnahmen festlegt  (Weitere Details hierzu s. Anhang A1). 

2.  Bewertung von BfS-Projekten 
2.1   Bewertungstabelle für die BfS-Projekte

Themenfeld:
Bedeutung der Bearbeitung des Themenfeldes unabhängig vom Zeitrahmen :                                                           essentiell/ hoch /fragwürdig /keine
Projekt:    
Priorität:
Kriterium Rechtzeitigkeit:

Unerfüllbar Unwahrscheinlich 
Möglich

- langjährige Untersuchungen erforderlich
- wg. spezieller Bedingungen des   Risikobewertungssystem        (z.B. Tierversuche, …)
- ineffizienter wissenschaftlicher Ansatz
- sonstige zeitverzögernde  Vorgehensweise

Kriterium Wissenschaftlicher Ansatz:

Unangemessen
unzureichend
problematisch
erfolgsversprechend
nicht beurteilbar 

 

Sonstige Kommentar:   …….

Die Bewertung „unangemessen“ kann die Bewertungen  „falsch“ und/oder „völlig ineffizient“ einschließen. Die Bewertung „falsch“ kann z.B. erfolgen, wenn wissenschaftlich inkorrekte Ansätze gemacht werden oder wesentliche neue Erkenntnisse ignoriert werden .

 

 

 2.2  Bewertung von BfS-Projekten  anhand der Bewertungstabelle

Themenfeld:
1. Aufklärung eines möglichen Zusammenhangs zwischen niederfrequenten Magnetfeldern und neurodegenerativen Erkrankungen
Bedeutung der Bearbeitung des Themenfeldes unabhängig vom  Zeitrahmen:                                                                  essentiell
Projekte:
1.1 Metaanalyse zum Zusammenhang von neurodegenerativen Erkrankungen und Magnetfeldexposition
1.2 GepoolteAnalyse zum Zusammenhang von amyotropher Lateralsklerose (ALS) und Magnetfeldexposition (Machbarkeit 2018)
1.3 Internationaler Workshop zum Zusammenhang zwischen neurodegenerativen Erkrankungen und Magnetfeldexposition (2017)
1.4  Wirkungen niederfrequenter Magnetfelder auf dieEntstehung und den Verlauf  von ALS im Tiermodell (in vivo)
1.5 Wirkungen niederfrequenter Magnetfelder auf dieEntstehung und denVerlauf von ADim Tiermodell (in vivo)
1.6  Wirkmechanismen niederfrequenter Magnetfelderbei der Entstehung von ALS in Zellkultur (in vitro)
1.7  Wirkmechanismen niederfrequenter Magnetfelder bei der Entstehung von AD in Zellkultur (in vitro)
Priorität:  Priorität 1 für Projekte 1.1-1.3  von BfS  ist nachvollziehbar
                
Kriterium Rechtzeitigkeit:

 Unerfüllbar 

Proj. 1.1-1.7:
ineffiz. wissenschaftl.  Ansatz
Proj. 1.1-1.3, 1.6, 1.7: sonst. zeitverzögernde  Vorgehensweise
Proj. 1.4, 1.5:
wg. Bedingungen Risikobewertungssystem
Kriterium Wissenschaftlicher Ansatz:
 Unangemessen
 problematisch
 

Sonstiger Kommentar: 
Die besondere Bedeutung dieses Themenfelds ergibt sich u.a. daraus:
- Die von Hochspannungsleitungen induzierbare el. Feldstärke im Körper liegt im mV-Bereich und damit im Wirkungsbereich von ZNS und PNS.
- Das PNS ist nahe an der Körperoberfläche und über einen weiten Bereich verbreitet. Damit ergeben sich vielfache Einwirkungsmöglich-keiten auf unterschiedliche „Signalketten“, die für und unterschiedliche physiologische Prozesse relevant sind.
 Die zur Erklärung von Wirkmechanismen benötigten Basisinformationen sind  gleichermaßen wichtig für unterschiedliche Krankheiten bzw.  physiologische Beeinträchtigungen.
Diese Basisinformationen betreffen auch speziell die Projekte in anderen Themenfeldern  (7.1, 2.4).
Geeignete Forschungsprojekte zur Gewinnung dieser Basisinforma-tionen sollten übergeordnet und vorrangig verfolgt werden.

 

Themenfeld:
2. Bestimmung von Wahrnehmungs- und Wirkungsschwellen
Bedeutung der Bearbeitung des Themenfeldes unabhängig vom Zeitrahmen:                                                      essentiell
Projekte:   
2.1 (abgeschlossen)
2.2 (hier nicht kommentiert)
2.3 Wirkungs-und Wahrnehmungsschwellen von Kontaktströmen und Funkenentladungen bei Hochspannungsgleichstrom und Hochspannungs-wechselstrom
2.4 Wirkungen auf das zentrale und das periphere Nervensystem aufgrund  von im Körper induzierten niederfrequenten elektrischen Feldern
Priorität:  Priorität 1 für Projekte 2.1,2.3  von BfS  ist nachvollziehbar                  Priorität 2 für Projekt 2.4 von BfS sollte Priorität 1 erhalten
Kriterium Rechtzeitigkeit:
 Unerfüllbar
 
Proj. 2.3, 2.4
(für Wirkungsschwellen ):
langjährige Untersuchungen erforderlich
Kriterium Wissenschaftlicher Ansatz:
  nicht beurteilbar
 

Sonstiger Kommentar:  siehe sonstiger Kommentar zu Themenfeld 1
Nicht berücksichtigt wird hier das gesamte andere Gebiet der  Steuerung von physiologisch relevanten Signalsprozessen, das nicht durch Sinneseindrücke erfasst wird

 

Themenfeld:
3. Ursachenklärung von Leukämien im Kindesalter

Bedeutung der Bearbeitung des Themenfeldes unabhängig vom  Zeitrahmen:                              hoch

Projekte:
3.1 Meta-Analyse zum Zusammenhang von Leukämien im Kindesalter, Magnetfeldexposition und schwacher ionisierender Strahlung
3.2 Aktualisierung der gepooltenAnalyse zu Leukämien im Kindesalter und Magnetfeldexposition (2018)
3.3  Molekulargenetische Analyse („deepsequencing“) von B-Zell-ALL-Patienten
3.4 Untersuchungen zum Auftreten von Leukämie bei geeigneten Tiermodellen
3.5 Untersuchungen zum Immunstatus von Magnetfeld-exponierten Tiermodellen (seit 2016)
3.7  6. internationaler Workshop zum aktuellen Stand der Ursachenforschung von Leukämien im Kindesalter
3.8 Beteiligung an einer nationalen Geburts-oder Mutter-Kind-Kohorte

Priorität: Im Vergleich zu den Prioritäten anderer Arbeitsfelder erscheint die durchgängige Priorität 1 für alle Projekte (nach BfS) nicht nachvollziehbar.
Das Themenfeld insgesamt sollte aber hohe Priorität haben

Kriterium Rechtzeitigkeit:

 Unerfüllbar

 

- wegen spezieller Bedingungen   des Risikobewertungssystem   (Tierversuche)
- ineffizienter wissenschaftlicher Ansatz
- sonstige zeitverzögernde Vorgehensweisen

Kriterium Wissenschaftlicher Ansatz:

 (hier nicht kommentiert)

 

Sonstige Kommentar:  Die Projekte erscheinen in ihrer Gesamtheit als Musterbeispiel, wie auch nach einem weiteren Jahrzehnt keine Ergebnisse erzeugt werden können, aus denen gfls. verpflichtenden Vorsorgemaßnahmen abgeleitet werden können.   (siehe Anhang A).
Beispiele für inhaltliche Mängel:   1)  Argumentation mit überholten Metastudien. Diese enthalten z.T. epidemiologische Studien, die Zonen enthalten, die nach schon länger angefallenen Erkenntnissen für eine relevante  gesundheitliche Belastung nicht in Frage kommen. Dadurch können sie einen signifikanten Zusammenhang als nicht signifikant erscheinen lassen.
2) Bezug auf eine Expositionssituation mit Daten von 2000 . Diese entsprechen nicht mehr der Situation der letzten 15 Jahre, schon gar nicht der zukünftig zu erwartenden u. sind auch sonst unzureichend:  2017 gibt es mehr Höchstspannungsleitungen, häufiger höhere Betriebsspannungen  etc. .

 

Themenfeld:
4. Ko-Kanzerogenität von Magnetfeldexposition

Bedeutung der Bearbeitung des Themenfeldes unabhängig vom  Zeitrahmen:                                                             hoch

Projekt:    
4.1 Untersuchungen zur Kokanzerogenität von Magnetfeldexposition 

Priorität:  Im Gegensatz zur Priorität 3 (nach BfS) erscheint die Priorität 1 angemessen.                   Begründung s. sonstiger Kommmentar

Kriterium Rechtzeitigkeit:
 Unerfüllbar
Keine Projektbearbeitung
Kriterium Wissenschaftlicher Ansatz:
 nicht beurteilbar
 
Sonstige Kommentar:
1) Begründung der Bedeutung:  Das von Hochspannungsleitungen stammende Feld (ELFEMF)  im Körper ist eine unspezifische Einwirkung,  ELFMF wirkt im Prinzip auf alle Gewebe, Zellen und Biomoleküle ein!  ELFMF kann somit auf unterschiedliche Signalwege an verschiedenen Stellen des Körpers einwirken, die sich gegenseitig beeinflussen können!
 Deshalb kann ELFMF mehrere Veränderungen mit unterschiedlichen Konsequenzen bewirken, die erst in Kombination schädlich werden könnten.
Bsp: Kokanzerogenität durch ELFEMF + UV-Strahlung:  möglicher Ansatz:  ELFEMF behindert/verändert Moleküle, die für UV-Schutz wichtig sind.
2) Tierversuche dürften der ineffizienteste Ansatz sein, um zu ersten Ergebnissen zu kommen.

 

Themenfeld:
6.  Untersuchungen zum Auftreten, zur Ausbreitung und zur Absorption von Korona-Ionen

Bedeutung der Bearbeitung des Themenfeldes unabhängig vom  Zeitrahmen:                                                hoch

Projekte:
6.1 Bewertende Literaturstudie zum Auftreten und zurAusbreitung von  Korona-     Ionen (2018)
6.3 Numerische Berechnung der Absorption von ionisierten Partikeln in der Lunge
6.4 Messungen der Absorption von ionisierten Partikeln im Lungenphantom
Priorität:   :  Priorität 1 für die Projekte von BfS  ist nachvollziehbar
Kriterium Rechtzeitigkeit:
 Unerfüllbar
 
langjährige Untersuchungen erforderlich
 ineffizienter wissenschaftlicher  Ansatz
Kriterium Wissenschaftlicher Ansatz:
 unzureichend
 s. Kommentar

Sonstiger Kommentar:
1) Die Retention von Aerosolen in der Lunge waren Gegenstand intensiver Untersuchungen insbesondere in den 80er-Jahren, mit unterschiedlichen Interessenschwerpunkten (s.u.a  KFZ Karlsruhe).
2) Das schloss die Entwicklung von Modellen zur Berechnung der Retention von Aerosolen in der Lunge und Messungen an Modellaerosolen und Lungenmodellen ein.
3) Die gesundheitliche Wirkung von erzeugten Ionen ist nicht nur durch die Ionen selbst bedingt, sondern auch durch deren Reaktionsprodukte. Viele Ionen haben eine sehr kurze Lebensdauer und können schädliche Reaktionsprodukte haben.
4)  Die Lungenretention einzelner Komponenten ist bedingt durch Zusammensetzung der Aerosolpartikel, in der sich diese Komponenten befinden.

 

Themenfeld:
7. Expositionsanalyse, Expositionsbewertung und aktuelle Daten zur Exposition der allgemeinen Bevölkerung

Bedeutung der Bearbeitung des Themenfeldes unabhängig vom  Zeitrahmen:                                                  essentiell

Projekte:   
7.1 Entwicklung und Verfeinerung dosimetrischer Modelle für die Expositionsanalyse und –bewertung
7.2 Erfassung der Magnetfeldexposition der allgemeinen Bevölkerung (2017)
7.3 Untersuchungen zum Auftreten von Funkenentladungen und Kontaktströmen

Priorität: Priorität 1 für die Projekte von BfS  ist nachvollziehbar
Innerhalb der vielen Projekte mit Priorität 1  sollten 7.1 und 7.2  vorrangig bearbeitet werden, da sie dienen können
- als Planungshilfe für das Vorgehen bei anderen Projekten
- und als erste Entscheidungshilfe für Vorsorgemaßnahmen.

Kriterium Rechtzeitigkeit:

 Möglich

 

Kriterium Wissenschaftlicher Ansatz:

 unzureichend

 s. Kommentar

Sonstiger Kommentar:
Die Verfeinerung allein bisheriger dosimetrischer Modelle ist unzureichend. Angemessene Modelle zur Erfassung der Wirkung äußerer EMF auf physiologische Prozesse müssen anders ausgelegt sein, wenn sie die Erkenntnisse zur Signalverarbeitung in der Molekularbiologie der letzten 20 Jahre berücksichtigen sollen, was erforderlich ist.        (s. u. Kapitel 3 und Anhang A2)

 

Themenfeld:
8. Risikowahrnehmung und Risikokommunikation

Bedeutung der Bearbeitung des Themenfeldes unabhängig vom  Zeitrahmen:                                                   hoch

Projekte:   
8.1 Fachgespräch zu verschiedenen Aspekten der Kommunikation im Stromnetzausbau (2017)
8.2 Umfragen zur Ermittlung der Besorgnis in der Bevölkerung (2018)
8.3 Untersuchung zur Wirkung von Vor-Ort Expositions-messungen auf Risikowahrnehmung sowie Glaubwürdigkeit von und Vertrauen in Landesbehörden und Netzbetreiber
8.5  Untersuchung der Möglichkeiten von lokalen Behörden (Gesundheitsämter, Amtsärzte und Immissionsschutzämter) als Multiplikatoren für die Risikokommunikation beim Stromnetzausbau
8.6 Evaluation von Risikokommunikationsmaßnahmen:  Teilprojekt 1: Evaluierung der Botschaften und Texte des BfS aus dem Bereich des Stromnetzausbaus (2018)

Priorität:  Die Prioritäten 1 von BfS können nicht nachvollzogen werden    (s. sonstiger Kommentar)              
Projekt 8.6 widerspricht der definierten Aufgabe des BfS  (s. sonstiger Kommentar) 

Kriterium Rechtzeitigkeit:

 Möglich

 

Kriterium Wissenschaftlicher Ansatz:

 unzureichend

 s. Kommentar 1)

Sonstige Kommentar:1) Die hohe Bedeutung dieses Themenfeldes bezieht sich vorrangig auf eine unmissverständliche  Risikokommunikation an Entscheidungsträger wie oberste Richter und Politiker.  Hier besteht offensichtlich dringender Bedarf. Z.B. wird in aktuellen Urteilen des BVerwG zur Urteilsbegründung die Aussage „Bestehende Grenzwerte schützen“  verallgemeinert eingesetzt -  ohne den stark eingegrenzten Bereich zu berücksichtigen, für den diese Aussage nur gilt. (Die allgemeine Erwartungshaltung dürfte sein, dass bei dieser Aussage auch der Schutz vor Krankheiten wie z.B. Krebs gemeint ist.)
2) Grundsätzlich sollte der weitaus größte Teil verfügbarer Ressourcen zur besseren Erforschung/Erfassung des Risikos aufgewendet werden.
Über ein Risiko, dessen wahre Größe und Hintergründe man gar nicht hinreichend kennt, kann man nicht solide kommunizieren.
3) Projekt 8.6 widerspricht der definierten Aufgabe des BfS: „BfS ist unabhängiger Vermittler zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit (kein „Akzeptanzbeschaffer“). Es wird fachliche Information erwartet, deshalb sollten die Texte von den fachlich zuständigen Projektbearbeitern stammen.

 

3. Grundsätzliche Defizite des Forschungsprogramms

Die Ablehnung  der Einführung strengerer Grenzwerte oder verpflichtender Vorsorgemaßnahmen wird seit ca. 20 Jahren unverändert mit unzureichenden Kenntnissen über Wirkungsmechanismen begründet, die gesundheitsschädigende Wirkungen niederfrequenter elektromagnetischer Felder  (ELFEMF) erklären könnten. Ebenso wird seit ca. 20 Jahren von wissenschaftlichen „Bewertungskommissionen“  eine bessere Erforschung hypothetischer oder sich andeutender Wirkungsmechanismen  gefordert.

Diese Anforderung kann das vom BfS vorgestellte Forschungsprogramm nicht leisten. D.h., die bis heute übliche Begründung für die Ablehnung  der Einführung strengerer Grenzwerte oder verpflichtender Vorsorgemaßnahmen bleibt erhalten.

Ein Grund dafür ist, dass kaum eines der Projekte den heutigen Kenntnisstand der molekularbiologischen Signalverarbeitung berücksichtigt, der zur angemessenen Erforschung von Wirkungsmechanismen erforderlich ist.

Das mag seinerseits dadurch begründet sein, dass die Ermittlung des Forschungsbedarfs offensichtlich großenteils aus früheren Bewertungen verschiedener Organisationen abgeleitet wurde, die ihrerseits großenteils auf jahrzehntealte Forschungsansätze beruhen ( s. „Ermittlung des Forschungsbedarf“ [1b], S.5). Ausnahmen davon, wie z.B. einige Ansätze in der zitierten Research Agenda (2016 IEEE/ICES), werden kaum berücksichtigt .  ARIMMORA,  das einzige im Rahmen des EU-Forschungsprogramm verfolgte aktuellere Projekt (2011-2015), das laut Projektbeschreibung  auch durch ELFEMF bedingte Wirkungsmechanismen zum Thema hat, wird nicht zitiert. 

 

Anhang

 A1  Hemmfaktoren für die Rechtzeitigkeit hinreichender Schutz- bzw.  Vorsorgemaßnahmen

 A1.1 Definition für rechtzeitige Beiräge
Die verfügbare Zeitspanne  (Tverf) ist kleiner als der Realisierungszeitraum des Stromnetzausbaus.
Innerhalb dieser Zeitspanne müssen verwertbare Forschungsergebnisse anfallen (TF) und die Verwertung der Forschungsergebnisse durch Umsetzung in Schutz- bzw. Vorsorgemaßnahmen  erfolgen (TVS, sofern erforderlich).
T verf  <   TF  +  TVS
Die vorgesehene Laufzeit des Forschungsprogramms beträgt 6 Jahre[1b].
Als rechtzeitig (Trz) werden hier alle Projekte bewertet, bei denen der geschätzte benötigte Zeitraum für verwertbare Forschungsergebnisse  und die Umsetzung in Schutz- bzw. Vorsorgemaßnahmen  unter sieben Jahren liegt.
Trz     =   TF + TVS   <  7 Jahre
D.h. dass für alle schon begonnenen  Teilstrecken des Stromnetzausbaus die Forschungsprojekte im Hinblick auf Streckengestaltung und –führung nicht rechtzeitig sind.
Sie könnten allerdings zu einer nachträglichen Einschränkung der Betriebsführung führen, was die Wirtschaftlichkeit reduzieren dürfte. 

A1.2  Zeitauwendige Forschungsmaßnahmen je nach Bedingungen von Risikobewertungssystemen für Schutz- bzw.  Vorsorgemaßnahmen
Die Art, der Aufwand und damit der Zeitbedarf der erforderlichen Forschung zur Klärung von Fragestellungen,  was dann ggfls.  in  Schutz- bzw. Vorsorgemaßnahmen  umgesetzt werden kann,  ist bestimmt durch die Anforderungen der Art des Risikobewertungssystems, das die Bedingungen für Schutz- bzw.  Vorsorgemaßnahmen festlegt.
Fazit: Die Anforderungen des jeweiligen Risikobewertungssystems bestimmen letztlich die Chance für die Rechtzeitigkeit hinreichender Schutz- bzw.  Vorsorgemaßnahmen. 


Ausgestaltung des Risikobewertungssystems:

Art der ausgewählten Kriterien

Resultierender Forschungsaufwand:

Art der benötigten Kapazitäten/Frage der Verfügbarkeit

Aufwand/ Frage der Verfügbarkeit

Zeitbedarf

Wahrscheinlichkeit für rechtzeitige Ergebnisse

 

 Ein Beispiel für Bedingungen in speziellen Risikobewertungssystemen, die i.a.  eine längere Untersuchungsdauer implizieren, ist die eines nachgewiesenen Wirkungsmechanismus – selbst bei einer hoch signifikanten Korrelation von Exposition mit einem Einflussfaktor und aufgetretenen Gesundheitsschaden. (Diese Bedingung steht im Gegensatz– soweit Vorsorgemaßnahmen betroffen sind - zu den den weitgehend anerkannten Bradford-Hill-Kriterien [4]).
Ein weiteres Beispiel für solche Bedingungen ist die,  dass  ein gefundener Wirkungsmechanismus widerspruchsfrei durch Tierversuche bestätigt sein muss. Diese Bedingung führt zu einem Zeitbedarf, der sehr leicht zehn Jahre und mehr sein kann.

 A1.3  Ineffizienter wissenschaftlicher Ansatz des Projekts

Das Forschunggsprogramm sollte so optimiert sein, dass es innerhalb der verfügbaren Zeit noch zu verwertbaren Ergebnissen führen kann (wie z.B.zu  notwendigen Vorsorgemaßnahmen).    Siehe hierzu Anhang A2.
Ein Beispiel für ineffizientes Vorgehen ist die Durchführung von Tierversuchen zum Nachweis für Wirkungsmechanismen.
Manche Probleme erfordern aufgrund ihrer Komplexität zwangsläufig eine Forschungsdauer, die  größer ist als die verfügbare Zeitspanne (s.o. A1.1).  Das ist bei einigen Projekten schon von Anfang an erkennbar. Diese Information sollte Teil der Projektbeschreibung sein. Sonst kann die Art der Durchführung des Projektes (Netzausbau) unter der irreführenden Annahme erfolgen, dass auf evtl. anfallende Erkenntnisse möglicher nicht akzeptabler Gesundheitsrisiken rechtzeitig (!) reagiert werden kann. 

A1.4  Sonstige zeitauwendige Vorgehensweisen

Es gibt viele Möglichkeiten, die Erreichung eines Projektziels so zu verzögern, dass seine Ergebnisse nicht rechtzeitig genutzt werden können.
Besonders deutliche Beispiele hierür:
(Bsp1)  Wahl einer nachrangigen Priorität der Teile des Projektes, deren Ergebnisse als Voraussetzung für Vorsorgemaßnahmen gefordert werden. Beispiele für notwendige Ergebnisse:
   - Bessere Ermittlung der tatsächlichen Stärke des Einflussfaktors,
   - Nachweis von Wirkungsmechanismen    (falls dieser Nachweis als eine wesentliche Bedingung für die Realisierung von Vorsorge- bzw. Schutzmaßnahmen gefordert wird).
(Bsp2)  Verschieben des Arbeitsbeginn bis zur „Standortbestimmung“ und Priorisierung des Handlungsbedarf in geplanten „Positionspapieren“ aus Expertenkonferenzen, Workshops etc. , ohne dass anschließend entsprechende Aktivitäten  erfolgen. Beispiele:
(Bsp2a) 1996:  „Übereinstimmend wird jedoch die Notwendigkeit weiterer Forschungsarbeiten unterstrichen - vor allem zur Klärung der biologischen Wirkungsmechanismen.“ [BfS Information 13/96]
(Bsp 2b ) 2001:   „Es ist notwendig, die Kenntnisse über gesundheitliche Beeinträchtigungen bei Exposition durch el.-magn. Felder durch weitere Forschung zu verbessern“  
„.. neurodegenerative Erkrankungen .. kausaler Zusammenhang kann nur über weitere Forschung geklärt werden“   [Strahlenschutzkommission, 173. Sitzung]
(Bsp2c) 2007:    „There is a need to further refine micro-dosimetric models in order to take into account the cellular architecture of neural networks and other complex suborgan systems ..“
[..  joint sponsorship of .. the International Commission on Non-Ionizing Radiation Protection, and the World Health Organization, Environmental Health Criteria 238 (Report)]
(Bsp2d) 2008:   „Die aus Sicht der Bundesregierung bestehende Forschungslücke … soll mit einer derzeit noch im Ausschreibungsprozess befindlichen Studie „Einfluss niederfrequenter elektromagnetischer Felder auf …. das Immunsystem und das Zentralnervensystem in vivo“ geschlossen werden.“  [Antwort  der Bundesregierung   (Drucksache 16/10701)  auf eine Kleine Anfrage]        S. auch die Bewertungstabelle zu Themenfeld 3.  

  A2  Effiziente Ansätze mit Chancen für rechtzeitige Ergebnisse hinreichender Schutz- bzw.  Vorsorgemaßnahmen

Ein effizienter Ansatz muss Ergebnisse liefern, die hinreichend sind zur Ableitung von Vorsorge- bzw. Schutzmaßnahmen.

Das muss  innerhalb des Zeitraums erfolgen, in dem diese Maßnahmen noch eingerichtet werden  können („verfügbare Zeitspanne“, s. A1.1) .

Der wissenschaftliche Ansatz muss - im Gegensatz zu den meisten jetzigen Ansätzen – auf den Findungen der Molekularbiologie und der Signalverarbeitung des 21. Jahrhunderts aufgebaut sein.

Die Auswahl der Untersuchungsmethoden und die Art des Vorgehens (z.B. Auswahl der Zwischenziele als mögliche Entscheidungshilfen) müssen auf den verfügbaren Zeitraum ausgerichtet sein.

Konkrete Ausführungen hierzu sollen in einem separatem Beitrag des Autors dieses Kommentars gebracht werden.


Literaturzitate

[1a]  http://www.bfs.de/DE/bfs/wissenschaft-forschung/bfs-forschungsprogramm/stromnetzausbau/
netzausbau_node.html

[1b]  BfS-Forschungsprogramm "Strahlenschutz beim Stromnetzausbau" 
(PDF, 1 MB, Datei ist barrierefrei⁄barrierearm)


[2]  [http://www.bfs.de/DE/bfs/wissenschaft-forschung/forschungsverstaendnis/forschungsverstaendnis_node.html;
jsessionid=6C70DF9A819F1A50B400DE6F3C46A9FE.1_cid374
]

[3]  Novellierung der 26. BImSchV 2013

[4] Strahlenschutzkommission (SSK, 248. Sitzung), Vergleichende Bewertung der
Evidenz von Krebsrisiken durch elektromagnetische Felder u. Strahlungen, 2011